C-Base
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Opis klubu C-Base
Kein Ort für weiße Ledercouches
Brunnen70 bietet mit Wild Wedding ein kunterbuntes Programm aus Party, Bingo und Livekonzert
Jakob Buhre
Man hört immer noch nichts. Es ist ein Sonnabend im Oktober, kurz nach eins, gerade hat man sich den Weg durch eine kleine Menschentraube am versteckten Eingang der Brunnenstraße 70 gebahnt, zwischen den Schaufenstern von „Akan Möbel” an der Security vorbei – doch von Bass und Beats keine Spur. Der Türsteher zeigt auf den Fahrstuhl, tatsächlich kommt von dort ein Wummern und Scheppern, das immer lauter wird. Plötzlich schieben sich die Türen auf, ein Dutzend Fahrgäste purzelt „It’s my life” grölend heraus, in der Ecke des geräumigen Lastenfahrstuhls hantiert eine Dragqueen an einem kleinen DJ-Pult.
Nach der heiteren Eurodance-Abfahrt geht es im Untergeschoss kunterbunt weiter. An der Bar stellt sich ein Mann im Superman-Kostüm als „Captain Cornflake” vor, auf der Bühne jammt die fabulöse Funkband Lucasonic, während auf dem benachbarten Floor die Sängerin eines düsteren Electro-Acts um Zuhörer buhlt. Um die Ecke gelangt man in ein Labyrinth aus Vorhängen, dahinter lädt eine Leinwand zum Filmgucken ein, ein paar Schritte weiter preist die „Drama Queen” Leonie Motzkachel den Gewinn der nächsten Bingo-Runde an: eine digitale Körperwaage. Etwa 30 Partygäste jubeln begeistert.
„Wild Wedding” heißt dieses kleine Festival im Untergrund, es ist das Aushängeschild vom Brunnen70, in dem auch Techno-Partys stattfinden. „Wir wollen ein bisschen widerspiegeln, was und wie der Wedding ist. Bunt, schräg, kulturell vielfältig. Und die Leute kommen rein und lassen sich auf Dinge ein, auf die sie überhaupt nicht vorbereitet sind.” Hardy Meinhof und Maarten de Jonge, zwei Macher des Brunnen70, stehen am Tresen in einem Meer aus Konfetti, über ihnen hängen Industriescheinwerfer, neben der Getränkekarte prangt ein Wegweiser mit der Aufschrift „Labor”. Die Wände sind rau und unverputzt, überall sind Lüftungs- und Heizungsrohre zu sehen.
„Es ist nicht gerade Schickeria hier”, sagt Maarten de Jonge mit einem Lächeln und leichtem holländischen Akzent, „aber es ist für uns auf jeden Fall ein Fortschritt.” Er spielt damit auf den Club und Kulturverein „Zurmoebelfabrik” an, weiter unten auf der Brunnenstraße Nr. 10, den er seit 1998 mit einem Team von 15 Leuten betreibt und dem Behörden und Hauseigentümer zunehmend Probleme bereiten. „Die wollen das Gebiet „aufwerten” und versuchen uns dort rauszudrängen. Jetzt darf nur noch auf 75 Quadratmetern getanzt werden, und auch diese Genehmigung kriegen wir nur noch mit Hilfe von Anwälten.” Die wilden Zeiten in Mitte seien definitiv vorbei, „Anfang der 90er war das Angebot null und die Nachfrage riesig, da konntest du dort noch jeden Unsinn treiben, und es hat funktioniert” erinnert er sich. Damals kam Maarten de Jonge als Stadtplaner von Amsterdam nach Berlin, arbeitete in Architekturbüros, die mit großen Flächen wie dem Spreebogen betraut waren. Nebenbei organisierte er erste Partys, betrieb in einer Ruine in der Steinstraße das „Schneewittchen” und gründete mit einem Mitbewohner das „Cape Schwalbe”. Auf alten Mopeds fuhr man mit den Gästen an Orte, die der Normalbürger sonst nicht zu Gesicht bekommt: abgewickelte Industriebetriebe, leerstehende Krankenhäuser, verlassene Güterbahnhöfe.
Den Architekturjob hing er bald an den Nagel, heute ist de Jonge einer der versiertesten Location-Scouts der Stadt. Für Freunde der Möbelfabrik organisiert er Guerilla-Kino an verlassenen Orten, oder er rockt mit seiner Crew ausgediente Produktionshallen. Nur spricht er nicht sonderlich gerne über diese Projekte. Weniger aus Angst vor den Behörden als vor Journalisten: Schon mehrfach hätten die ihm mit allzu detaillierter Berichterstattung einen Strich durch die Rechnung gemacht.
„Wenn du temporär einen verlassenen Ort bespielst, kommst du zwangsläufig in nicht legale Sphären”, ergänzt Hardy Meinhof, der seit dem 14. Lebensjahr Partys veranstaltet und die Booking-Agentur „InterAct” betreibt. „Ansonsten hättest du als Veranstalter so viele Auflagen, das kann bei einem einmaligen Event keiner bezahlen.”
Im Brunnen70 hat man nun Vorkehrungen getroffen, schließlich ist das 600 Quadratmeter große einstige Möbellager für zehn Jahre gemietet. „Die Rauchmelder hatten einen Uranium-Anteil drin, das ist nicht mehr erlaubt, also mussten überall neue rein”, erklärt de Jonge etwas frustriert. „Oder es fehlte das Zertifikat für die automatische Tür da drüben, also musste die ausgewechselt werden.” Trotzdem wirkt der Club alles andere als steril – was mit de Jonge auch nicht zu machen wäre. Watergate und Weekend kennt er nur vom Namen. „High-End und weiße Ledercouch, das reizt mich nicht. Und wenn die am Eingang nur ein bestimmtes Publikum reinlassen, was soll ich dann da? Die wollen mich doch gar nicht. Bei uns kann kommen, wer will.”
Wobei der Niederländer zumindest einmal in einem Berliner Renommierschuppen gewesen ist. Als wir bei einem Rundgang vor einem edlen Couchtisch, verziert mit einem Sinatra-Porträt, stehen bleiben, sagt er: Der kommt aus dem „90 Grad”, da war ich mal drin. Allerdings erst, als es schon geschlossen war.”
(Berliner Zeitung am 4. November 2010)